Zweiter Teil? Gab es einen ersten? Nicht in Text-Form, denn es geht nicht um eine Fortsetzung, sondern um den zweiten Teil der dualen Ausbildung. In Deutschland haben wir ein ziemlich einzigartiges Ausbildungssystem. Wir bilden unsere Fachkräfte theoretisch und praktisch aus. Der praktische Teil läuft in Betrieben ab und den meisten sehr gut bekannt. Ein schwarzes Loch dagegen ist für genauso viele der zweite Teil die Berufsschule. Selbst in der Ausbildung haben viele Betriebe nur dann Berührungspunkte mit der Berufsschule, wenn es für den Auszubildenden dort nicht gut läuft oder er diese schwänzt.
Momentan gebe ich wiedermal einen AEVO-Kurs, das heißt ich helfe zukünftigen Ausbildern dabei sich das Wissen anzueignen, welches ihnen erstmal durch die Prüfung und später bei der Ausbildung ihrer Schützlinge hilft. Natürlich reden wir da auch über Berufsschulen. Diese sind schließlich ein Teil des dualen Ausbildungssystems in Deutschland. Leider ist meist die Meinung der Betriebe zu diesen Thema nicht besonders gut. Ein spezielles Reizthema dabei ist Stundenausfall und die damit ein hergehende defizitäre Vermittlung von Inhalten. Natürlich kann niemand etwas dafür, wenn es zu Krankheiten kommt. Aber laut dem BBiG sind die Betriebe für das Erreichen der beruflichen Handlungsfähigkeit ihrer Auszubildenden verantwortlich. Dies bedeutet für Ausbilder, dass sie wenn es zu Stoffausfall in der Berufsschule kommt, diesen auffangen und vermitteln müssen. Für viele Betriebe wird dies inzwischen zu einer Herausforderung.
In der Vergangenheit habe ich schon einige Geschichten gehört, warum Auszubildende bestimmte Inhalte aus der Berufsschule nicht wussten. Zieht man da die Schauermärchen und Übertreibungen von ab, bleiben immer noch viel zu viele Gründe neben Krankheit. Ein Beispiel möchte ich hier erzählen: Ein Berufsschullehrer stand kurz vor seiner verdienten Pensionierung und unterrichtete in einer Klasse Kaufleute das Fach Wirtschafts- und Sozialkunde (WiSo). Dies ist Prüfungsrelevant und sogar ein eigenes Prüfungsfach. Ich kann verstehen, dass man in seinem letzten Jahr vielleicht nicht mehr so motiviert dabei ist wie in seinem ersten. Was ich nicht verstehen kann, ist wie man Auszubildende quasi unvorbereitet in eine Abschlussprüfung schicken kann. In diesem Fall hatte der Lehrer für den Unterricht Filme mit wirtschaftlichen Storys gezeigt. Nein, keine Lehrfilme, sondern z. B. The Wolf of Wallstreet. Ja daran kann man einige wirtschaftliche Zusammenhänge und menschliche Dummheit erklären, aber nicht all um fassend. Aber diese Lehrkraft schien tatsächlich in der Mehrheit ihrer Stunden nur die Schüler mit Filmen beschäftigen zu wollen. Denn als ich mit einigen dieser (knapp 1/3 der Klasse) eine alte WiSo Abschlussprüfung geschrieben habe, hatte keiner mehr als 30% richtig.
In so einem Fall kann ich es verstehen, dass sich die Betriebe aufregen. Aber das ist nicht die Regel sondern die Ausnahme. Sollte so etwas aber passieren, muss der Ausbilder eingreifen und mit der Schule sprechen. Um einen Dialog mit der Schule zu führen, muss aber nicht erst etwas negatives passieren. Gerade damit die Ausbildung ohne Stolpersteine für den Auszubildenden ablaufen kann und der Ausbilder nicht erst bei den Prüfungsergebnissen von Lücken erfährt, sollte es einen regelmäßigen Austausch zwischen den Beteiligten der Ausbildung geben. Der erste Teil – der Betrieb – muss mit dem zweiten Teil – der Berufsschule – reden und anders herum. In vielen Berufsschulen gibt es dafür extra einen „Elternabend“ für die Ausbilder.