Ablöse zahlen – hält der Fußball Einzug in der Ausbildung?

Heute morgen im Auto auf dem Weg in mein Büro habe ich Nachrichten gehört. Nach den allgemeinen Personaldabatten in der Politik und Co kam eine Schlagzeile, die mich sofort das Radio hat lauter stellen. Der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer schlägt vor, dass jede Firma, die einen frisch ausgelernten Auszubildenden, den sie nicht selbst ausgebildet hat, nur einstellen darf, wenn sie dem Ausbildungsbetrieb eine Entschädigung zahlen. Die Leser von meinem Blog wissen: Ich bilde Ausbilder aus und bin eine leidenschaftliche Verfechterin für die Duale Ausbildung. Ja, ich weiß, dass Ausbildung teuer ist. Aber mal ehrlich das ist ein Studium auch und die Betriebe zahlen keine Entschädigung an den Zahler des Studiums.

Okay, das war ein emotionales Argument werden wir also etwas sachlicher: Am ersten Tag eines Kurses zur Vorbereitung auf die Ausbildereignungsprüfung frage ich die Teilnehmer, warum bilden Betriebe wohl aus. Die Antworten variieren je nach persönlichen Erfahrungen, aber die häufigsten sind:

  • Eigene Nachwuchssicherung
  • Fachkräfte, die den Betrieb schon kennen und nicht eingearbeitet werden müssen
  • günstige Arbeitskräfte
  • Soziale Verantwortung

Den günstigen Arbeitskräften wird hoffentlich durch den Azubi-Mindestlohn demnächst ein Riegel vorgeschoben. Denn Firmen, die Auszubildende wirklich als günstige Arbeitskräfte sehen, bringen ihnen in 90% der Fälle auch nur das aller Notwendigste bei. Selbst wenn die Auszubildenden die Abschlussprüfungen bestehen, ist es meist trotz der Betriebe und nicht wegen ihnen.
Aber wenn man den ersten beiden Nennungen folgt, kann man die Forderung des Handwerkspräsidenten vielleicht etwas verstehen. Er argumentiert, dass die Firmen viel Geld in die Ausbildung ihrer eigenen Nachwuchskräfte investieren, damit sie hinterher als Fachkräfte dem Unternehmen von Nutzen sein können. Allerdings verliert der gute Herr dabei zwei große Punkte aus den Augen.

  1. Ausbildung ist auch eine soziale Verantwortung. Dass bedeutet, dass es eben auch Betriebe gibt, welche aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen (§§27 ff BBiG) oder eben aus den Kostengründen nicht ausbilden können. Diese Betriebe gehören aber genauso zu unseren Volkswirtschaft und leisten ihren Teil. Hin und wieder brauchen diese dann auch Nachwuchs.
    Stellen wir uns mal einen Existenzgründer oder Firmennachfolger vor. Er oder Sie hat eine kleine Firma mit vielleicht zwei weiteren Fachkräften, die aber beide in Teilzeit arbeiten. Dazu kommt der Inhaber oder die Inhaberin sind viel auf Terminen außer Haus.
    Jetzt ist Wachstumspotenzial da, welches genutzt werden soll. Dafür müssen aber zwei neue Fachkräfte eingestellt werden. Die Ausbildung eigener Kräfte fällt aufgrund der Umstände und Gesetze aus. Fachkräfte mit Jahren an Erfahrung kosten mehr, also wird der Betrieb bei den jungen und gerade ausgelernten suchen. Und sollte er jetzt an die Ausbildungsbetriebe eine Ablöse zahlen müssen, wäre der Kostenvorteil ja gleich wieder weg. Also kann der Betrieb sich wahrscheinlich höchstens eine Kraft leisten. Damit kann das Wachstum dann nicht realisiert werden.
    Das heißt, unsere Wirtschaft kann nur wachsen und es geht ihr nur gut, wenn wir solidarisch sind und eben die Ausbildung von neuen Fachkräften eine gemeinschaftliche soziale Verantwortung ist.
  2. Hat der gute Herr Wollseifer mal ins BBiG geschaut? In §12 Abs. 1 BBiG steht wörtlich: Eine Vereinbarung, die Auszubildende für die Zeit nach der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig.
    Das bedeutet, dass es den Auszubildenden zur Zeit gesetzlich garantiert ist, dass sie selbst über den Arbeitgeber nach ihrer Ausbildung entscheiden dürfen.
    Haben Sie eine Ausbildung gemacht? Arbeiten Sie immer noch in Ihrem Lehrbetrieb? In der heutigen Zeit sehr wahrscheinlich nicht. Und das auch meist mit sehr guten Gründen.
    Zum einen ist es für junge Menschen schwer später von ehemaligen Ausbilder oder Ausbildungsbeauftragen als gleichwertige Fachkraft akzeptiert zu werden. Und zum anderen gibt es durchaus Vorfälle, weshalb man nicht bleiben möchte. Dazu kommt natürlich auch der persönliche Entwicklungswunsch. Das heißt der Auszubildende trifft eine Entscheidung und die Firma, welche ihn oder sie einstellt soll bestraft werden.

Warum hat der Handwerkspräsident denn überhaupt diese Äußerung gemacht? Das Handwerk hat momentan das Problem bei teilweise sehr guter Auftragslage nicht genug Fachkräfte und Auszubildende zu finden. Das bedeutet die Firmen jagen sich die Kräfte, welche vorhanden sind, gegenseitig ab.
Wie machen die das? Ganz einfach jeder Betrieb versucht etwas besseres zu bieten als der bisherige Arbeitgeber. Häufig ist es einfach nur ein bisschen mehr Gehalt. Oder so sagen es die Fachleute in der Presse. Fragt man aber Wechsler – also die Fachkräfte und Auszubildenden um die hier gestritten wird – bekommt man unterschiedlichste Antworten. Von „Ich war dort unglücklich“ über „der Fahrtweg ist nicht so weit, deshalb hab ich mehr Zeit für die Familie“ bis hin zu so etwas wie „die tun mehr für ihre Mitarbeiter und zahlen Weiterbildungen“ habe ich in der Berufsorientierung und bei Fachkräften in der Weiterbildung sehr viele Unterschiedliche Gründe gehört.

Was kann also gegen das „Weglaufen“ von teuer selbst ausgebildeten Fachkräften getan werden? Fragt die Auszubildenden warum sie gehen! Fragt die Auszubildenden, was sie bräuchten um zu bleiben! Die Antworten sind der Weg zu einem attraktiven Arbeitgeber, dem keine Firma eine Ablöse zahlen muss, weil die Auszubildenden bleiben. Denn seinen wir mal ehrlich: Fußball-Verhältnisse brauchen wir in der Arbeitswelt ganz bestimmt nicht!

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